Betreuungsdefizit nach dem Lockdown

Betreuungsdefizit nach dem Lockdown

Liebe Eltern,

sehnsüchtig haben wir die Wiedereröffnung der Kitas und Schulen herbeigesehnt und in vielen Bundesländern wurden ab Juni die Einrichtungen teilweise oder gänzlich geöffnet.
Doch nach dem großen Aufatmen kam die Ernüchterung. In einigen Bundesländern bzw. Einrichtungen werden die Kinder 50 % oder weniger betreut, manchmal nur 3 Stunden an 2 Tagen in der Woche. Für Eltern weiterhin eine Zerreißprobe. Angeblich soll nach den Sommerferien ein normaler Betrieb eingeführt werden, doch man ist weiterhin skeptisch.

Komplett geöffnet - welch ein Traum

In voller Vorfreude schwelgten diejenigen, wo es hieß, dass die Kitas vollständig geöffnet werden. So war es jedenfalls bei uns. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Vor allem, weil ich einen neuen Vertrag als Autorin angeboten bekam mit genauen Fristen, wann ich meine Werke abgeben sollte. Nun hatte ich einen straffen Arbeitszeitplan am Vormittag.
Die Kinder gingen in den ersten Tagen sehr gerne in die Kita, selbst unsere gerade erst 2 Jährige Tochter ist ohne Eingewöhnung nach den langen drei Monaten ganz selbstverständlich in die Krippe gegangen und hat uns ohne Drama mit einem knappen "Tschüss" verabschiedet. Wir waren begeistert und erleichtert.

Trotz Kitaöffnung Kind zu Hause?

Doch nach gerade mal 4 Tagen kam die Ernüchterung. Die ersten Kinder mussten wegen Erkältungserscheinungen zu Hause bleiben. Und auch unsere große Tochter bekam einen kleinen Schnupfen. Schnell ließen wir sie und ihre Schwester an einem Samstag Vormittag auf Corona testen. Die Kleine schien erstmal gesund zu sein und durfte auch am Montag in die Krippe, doch um Punkt halb 10 kam der Anruf. Die Nase läuft, bitte holen sie das Kind ab. Das Testergebnis kam just 5 Minuten später - beide Kinder sind negativ.  Also am nächsten Tag ab in die Kita. Doch auch zwei Tage später ein Anruf. Das Nasensekret der großen Tochter würde grünlich werden, das ist verboten.
Die Nerven liegen blank, die ersten Diskussionen entstehen.

Fazit nach 3 Wochen

Knapp drei Anrufe für die Abholung der Kinder aus verschiedensten Gründen. Das größte Streitpotenzial lieferte die Aussage "Ihr Kind steht oft abseits und wirkt erschöpft". Also holte ich mein "völlig erschöpftes" Kind ab, welches anstatt in den Buggy, lieber zu Fuß den gesamten Weg nach Hause rannte. Auch am Nachmittag wurde erstmal kräftig auf dem Trampolin gehüpft. Ja, Schnupfen hatte sie, aber sonst war sie top fit.
Andere Eltern aus vielen verschiedenen Landkreisen und Bundesländern berichteten von ähnlichen Fällen:

"Das Kind fühlt sich warm an"
"Das Kind hat nichts gegessen"
"Das Kind hat eine starke Erkältung " - allerdings war hier aber eine Allergie schuld

Grenzen schwierig

Ich hab vollstes Verständnis für die Erzieher und Kita-Leitungen, die klare Vorgaben haben in Bezug auf Erkältungssymptome und viele zeigen sich bereits schon sehr kulant. Aber die große Frage für die Eltern bleibt - wie betreue ich mein Kind? Urlaub, Krankheitstage, Ersatzbetreuungsangebote sind größtenteils schon ausgeschöpft. Homeoffice ist für viele zwar machbar, aber jeder der fokussiert arbeiten muss, weiß, dass dies bei kleinen Kindern nicht möglich ist. Und die Horrorzeiten - nämlich Herbst und Winter kommen in diesem Jahr noch auf uns zu.
Manche Erzieher nehmen es etwas zu genau und erzeugen unnötigen Ärger. Aber auch gibt es Eltern, die es darauf anlegen ihre Kinder krank mit allmöglichen Hilfsmitteln in die Kita zu schicken. Doch Husten und Schnufen (ohne Fieber oder weitere Begleiterscheinungen) sind im Kita-Alltag nun mal sehr verbreitet. Und die Illusion nach Schließungen würde sich das Problem wieder legen, kann man sich gleich nehmen.

Die hauseigenen Viren

Auf der Frühchenstation hat uns eine Schwester ein gutes Beispiel geliefert. Jeder Familienhaushalt hat so seine eigenen Bakterien und Viren, daher sollte man gesunde "Frühchen" auch recht schnell mit der Familie in Kontakt bringen, damit das Imunsystem sich an die Umgebung gewöhnen kann. Übertragen wir das auf unsere Familien im Kindergarten ergibt sich folgendes:
Die Kinder im Lockdown waren meist komplett isoliert und wurden nur mit den Erregern der Familie konfrontiert. Die meisten Eltern berichten davon, dass ihre Kinder noch nie so gesund waren, wie in diesem Jahr.
Mit Öffnung der Kitas von 0 auf 100 änderte sich das aber. Es muss nicht sein, dass ein Kind ein Virus hineinträgt und verbreitet. Es reicht einfach das alle Kinder ihre hauseigenen Viren miteinander vermischen. Gerade Kinder mit schlechtem Imunsystem oder Einrschränkungen (Zähnchen, Allergien) haben mehr zu kämpfen. Und dann entwickelt sich daraus eine Eigendynamik.

Die Politik wird langsam auf das Problem aufmerksam

Erste Lockerungen im Hinblick auf die Vorgaben, dass nur komplett gesunde Kinder in die Kita gehen dürfen, werden bereits diskutiert. Einige Bundesländer planen, dass Kitas auch Kids mit Husten und Schnupfen (ohne Fieber oder weitere Symptome) aufnehmen dürfen. Doch es gibt ja noch andere Kinderkrankheiten.

Weitere Idee: Die Kinderkrankheitstage der Arbeitnehmer sollen nicht begrenzt werden. Erfordert die Kulanz der Arbeitgeber. Doch wer verlängert einen befristeten Vertrag mit einer Mutter, die fast jede zweite Woche ausfällt? Der Druck auf Mütter und Väter auf der Arbeit bleibt bestehen, die Aufgaben bleiben vielleicht liegen oder werden auf andere Mitarbeiter umgewälzt, die dann ihren Unmut den Eltern gegenüber kundtun.

Und was ist mit den Selbstständigen? Urlaub, Kinderkrankheitstage - fehl am Platze. Keine Arbeit, kein Geld...

Mein Vorschlag

Alternative Betreuungsnetzwerke für Eltern schaffen - geführt durch das Arbeitsamt in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Oder eine vergleichbare Einrichtung. Eltern können sich an eine dieser Institutionen wenden und bekommen die Kontaktdaten von Tagesmüttern, Babysittern oder Pflegeeltern, die kurzfristig bei der Betreuung der Kinder unterstützen können. Je nach Einkommen und Bedarf der Eltern.

Familien brauchen eine langfristige Sicherheit und spontane Unterstützungen. Jederzeit in jeder Berufsgruppe, aber auch für überforderte Hausfrauen und Hausmänner. Der Bedarf sollte durch eine Fachkraft festgestellt und festgehalten werden, damit dann die nötige Unterstützung schnell gefunden werden kann.

Wichtig ist zu dem eine schnelle Kontaktaufnahme ohne Stigmatisierung. Eltern sollten sofort wissen, an wen sie sich wenden können und dabei kein schlechtes Gewissen haben. Kurze Wege, schnelle Reaktionen.

Meiner Ansicht nach kann das die Familien entlasten.

Die eine Million-Frage

Wer zahlt das? Wer setzt die Bürokratie um? Tja, liebe Politik. Wenn ihr die jetzigen und die zukünftigen Steuerzahler unterstützen wollt und somit den Grundpfeiler der Wirtschaft, dann fangt gerne auch mal bei den Familien an.

Unsere Zukunft und das unserer Kinder liegt auch in eurer Hand - wir warten!

 






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